Ein lokales Bündnis gegen Polizeigewalt ruft für den 07. Oktober in Herford zu einer Demonstration unter dem Motto „Die Polizei lügt! Aufklärung, Konsequenzen und Gerechtigkeit für 34 Schüsse auf Bilel“ auf.
Gestartet wird die Demonstration um 15 Uhr am Hauptbahnhof in Herford. Zwischenkundgebungen sind vor dem Rathaus und vor der Polizeiwache (Hansastraße) geplant. Anlass der Demonstration sind 34 Schüsse, die am 3. Juni von sechs der 13 beteiligten Polizistinnen auf einen 19-jährigen migrantischen jungen Erwachsenen aus Herford gefeuert wurden. Mindestens sechs Mal wurde der 19-Jährige getroffen, der nun querschnittsgelähmt ist.

Das Bündnis hatte bereits am 15.Juli zu einer Demonstration aufgerufen, welche von einem immensen Polizeiaufgebot erstickt werden sollte. Rekam Abdel sagt dazu: “Dieses Polizeiaufgebot und zum Beispiel die Empfehlungen, die Geschäfte in der Stadt vorzeitig zu schließen, sollten unseren Protest als gefährlich und kriminell darstellen. Aber wieso dürfen wir unsere Wut und unsere Forderungen nicht öffentlich machen?”

Der Polizeieinsatz, welcher mit 34 Schüssen auf einen 19-Jährigen endete, begann damit, dass dieser ohne Licht unterwegs war. Nach einer Verfolgungsjagd fuhr der 19-Jährige in eine Sackgasse. Laut Polizei sei der junge Mann dort umgedreht und mit erhöhter Geschwindigkeit auf sie zugerast. Die Beamtinnen hätten daher aus Notwehr gefeuert. Im zweiten Polizeibericht ist allerdings nichts mehr von erhöhter Geschwindigkeit zu lesen. Murat Haydemir vom Bündnis sagt hierzu: “Für uns gibt es keinen Grund, der 34 Schüsse – noch dazu auf einen Unbewaffneten – rechtfertigt. Außerdem zweifeln wir an der Darstellung der Polizei – laut Augenzeugenberichten, konnte der Betroffene gar nicht wegfahren. Es war doch auch gar nicht genug Platz, um beschleunigen oder da rausfahren zu können. Immerhin hat auch die Staatsanwaltschaft Zweifel an dieser Darstellung”.


Zudem hieß es, dass es weder von den Bodycams noch von den Fahrzeugkameras Videomaterial gab. Nun gibt es ein zwei-Sekunden-Video von einer Bodycam. Dazu sagt Murat Haydemir: “Die Staatsanwaltschaft hat wohl das Videomaterial sichergestellt und zuerst gesagt, es gäbe eine Aufzeichnung aus den Autos. Dann heißt es in einem Presseartikel, dass es keine Aufzeichnungen von der Situation in der Sackgasse gibt, und nun existiert doch eine kurze Aufnahme.”


Die aktuellen Ermittlungen gegen die Polizistinnen laufen wegen versuchter Körperverletzung – aus Routine in Folge des Schusswaffeneinsatzes. Gegen den Betroffenen wird hingegen wegen versuchten Mordes ermittelt. Gegen die Mutter wird inzwischen wegen Duldung des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ermittelt. Rukem Abdel vom Bündnis sagt hierzu: “Wie kann nur gegen den Verletzten wegen versuchten Mordes ermittelt werden, während dieser mit 34 Schüssen beschossen wurde? Außerdem wurde auf der Landtagssitzung betont, dass die Unschuldsvermutung für die Polizistinnen gelten solle. Wo ist diese für den Fahrer, der nun eine langwierige Reha vor sich hat?”

Rukem Abdel aus dem Bündnis erklärt hierzu: “Was in Herford passiert ist, ist kein Einzelfall. Wieder einmal wird deutlich, wie Gewalt von der Polizei ausgeht und Aufklärung ohne eine unabhängige Ermittlungsstelle nicht möglich ist. Mit der Demonstration wollen wir auf die strukturellen Missstände bei der Polizei aufmerksam machen. In Herford haben Beamte der Polizei bereits 2014 gezeigt, dass sie bereit sind, Videomaterial zu fälschen, um sich gegenseitig zu schützen. Dieses Mal gibt es nicht einmal eine aussagekräftige Videoaufzeichnungen der 34 Schüsse.”

Murat Haydemir vom Bündnis erklärt weiter: “Wir sind wütend und traurig über diesen und alle anderen Fälle von Polizeigewalt. Er war weder das erste noch wird es vermutlich das letzte Opfer von Polizeigewalt sein, aber wir werden für alle kämpfen und niemanden vergessen.” Das Bündnis fordert daher Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen sowie eine unabhängige Ermittlungsstelle für Polizeigewalt und ein Ende von Polizei.